Königreiche und deren Auswirkungen

Nicht nur in der Corona-Phase auch sonst ist es in der Druck- und Medienindustrie keine triviale Aufgabe eine Druckerei effizient zu führen. Es gilt eine Balance zwischen straffer Führung und zielführender Kommunikation zu finden. Hinzuzufügen ist noch, dass jeder Betrieb seine Eigenheiten hat, die es zu berücksichtigen gilt. In Abhängigkeit der Mitarbeiteranzahl ergeben sich für Führungskräfte hinsichtlich des Gruppenverhaltens unterschiedliche Aufgabenstellungen.

Eigenleben

Jede Druckerei, die schon länger besteht, verfügt über ein Eigenleben. Das bedeutet, je mehr Eigenleben bei genauerem Hinsehen sichtbar wird desto ungenügender ist die Führung. Meist sind es Betriebe, die eine gefühlte oder sogar eine reale Hierarchie entwickelt haben. Nicht mehr der Chef bestimmt, sondern die Könige der Königreiche. Die “Könige“ senden dem Chef immer wieder die Botschaft, wir arbeiten für dich und du bestimmst. Der Chef ist mit dieser Botschaft zufrieden und hat das Gefühl: Die machen was ich sage.

Wenn man die internen Strukturen etwas unter die Lupe nimmt, kommen interessante Dinge zu Tage. Da werden Anweisungen einfachmal nicht befolgt oder der Mitarbeiter trifft Entscheidungen die er gar nicht zu treffen hat bzw. die Kompetenz gar nicht besitzt. Sobald dann aber spürbare und für den Betrieb schmerzliche Fehler passieren gerät die Kommunikation u. U. außer Kontrolle. Da kommt es schon mal vor, dass das Versäumnis der Führungskraft (Königreiche abzubauen) zu Konflikten mit nicht zielorientierter Kommunikation führt. Um diese Themen bearbeiten zu können bedarf es einen Blick in das komplexe “Gebilde“ Mensch und Gruppenverhalten.

Die drei Gruppen

Die Führungskraft sollte immer daran denken, dass sich eine Belegschaft in den überwiegenden Fällen aus drei Gruppen zusammensetzt: Gruppe 1 sind die Mitarbeiter, Gruppe 2 sind die Neutralen und Gruppe 3 sind die Gegenarbeiter. Letztere sind i. d. R. in geringer Anzahl im Betrieb vorzufinden, aber eine ungenügende Führung kann diese Gruppe exorbitant und ganz schnell vergrößern. In der ersten Gruppe befinden sich “Mitarbeiter, also die Menschen, die Spaß an dem haben was sie täglich tun und Erfolg auf der Arbeitsstelle haben wollen. Das ist die Gruppe, die unter entsprechender Führung hervorragende Innovationskräfte entwickeln kann. Dann gibt es in jedem Unternehmen noch die “Gegenarbeiter als dritte Gruppe. Denen kann man i. d. R. nichts recht machen und sobald man auf deren Territorium kommt, werden sie “bissig“.

Und es gibt noch die Mitarbeiter der 2. Gruppe. Hier finden sich i. d. R. die “Neutralen“, die sich je nach Führungsstil entweder der Gruppe 1 oder der Gruppe 3 zuwenden und diese jeweils verstärken können. Es kommt manchmal vor, dass ein Teil der mittleren Gruppe für einen persönlichen Vorteil auch mal die Seiten wechselt. Dieser mittlere Teil ist es auf deren Zustand man achten muss. Diese Gruppe entscheidet im weitesten Sinn das Ergebnis des Betriebes. Feinfühlig ist darauf zu achten, wohin diese Gruppe tendiert. In dieser Gruppe befinden sich meist Menschen, die wenig auffallen, die immer vor Ort sind und nicht laut meckern. Auch wenn die Führung suboptimal ist, wird man von dem überwiegenden Teil dieser Gruppe wenig hören. Führt eine suboptimale Führung dazu, dass sich Mitarbeiter aus der Gruppe 1 (Leistungsträger) negativ äußern, wenden sich Teile der Gruppe 2 den “Gegenarbeitern“ zu. Daraus resultiert, dass nicht mehr sinnvoll geplant werden kann und in Folge das Betriebsergebnis schlechter wird. Insbesondere bei den Leistungsträgern gilt Führen durch Führung, nicht mit Anweisungen oder Kontrolle. Proaktiv und mit Ausrichtung auf intrinsische Motivation bei den Mitarbeitern wird die Gruppe der Leistungsträger geführt. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass dann der mittlere Teil sich an der ersten Gruppe orientiert und zu einem großen Teil denen anschließt. Hinlänglich bekannt ist, dass Menschen grundsätzlich persönliche Erfolge als angenehm empfinden. Sofern die Führung es zulässt, kann die Orientierung an der Gruppe 1 (Leistungsträger) auch für die Gruppe 2 (Neutrale) zu Erfolgserlebnissen führen. Dann hat man eine intrinsische Motivation!

Wichtig ist: Die individuellen Führungsprinzipien entscheiden darüber, wie loyal die erste Gruppe mit den Unternehmenszielen verbunden ist und wie stark eine Magnetwirkung auf die mittlere Gruppe zum Tragen kommt.

Königreiche (negativ)

Ein weiteres Aufgabenfeld für eine Führungskraft ist das Lokalisieren von (negativen) Königreichen. Diese bilden sich vorrangig da, wo es ein Führungsvakuum gibt. Laissez-Faire-Führung oder stark hierarchisch geprägte Führungsstile fördern die Bildung von “negativen“ Königreichen. Haben sich im Unternehmen Königreiche etabliert sind der Fehlentwicklung Tür und Tor geöffnet. Beim Vorhandensein von mehreren Königreichen (in größeren Betrieben) in unterschiedlichen Abteilungen führt das zur suboptimalen Weitergabe von Aufträgen in der Wertschöpfungskette. Das Prinzip “der andere hat den Fehler gemacht“ ist dann an der Tagesordnung. Der Aufbau eines Königreichs geht immer von einer Person aus. Diese Person ist häufig eine sehr gute Fachkraft oder ein extrovertierter Mensch mit “subjektiv“ überbewertetem Selbstbewusstsein verfügt aber meist nicht über adäquate Führungsfähigkeiten. Wenn diese Person dann nicht die nötige Aufmerksamkeit seitens der Unternehmensführung bekommt, sichert sich diese Person den Zuspruch seiner Kollegen und ist somit der “Anführer“. Die ihm folgenden Personen kommen vorrangig aus der mittleren Gruppe, aber immer wieder zu beobachten – auch aus der Gruppe der “Gegenarbeiter“ gesellen sich Kollegen dazu, damit sie Einfluss im negativen Sinn nehmen können.

Positives Königreich

Es gibt Mitarbeiter, die aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur und einer hohen Identifikation mit dem Unternehmen, die Eignung zu einem informellen Führer besitzen. Da kann die Bildung eines “Königreichs“ sinnvoll und förderungswürdig sein. Das kann und sollte das Unternehmen zu seinem Vorteil nutzen. Führungskräfte sollten die Fähigkeit besitzen oder trainieren genau diese Personen herauszufiltern und deren Fähigkeiten sowohl zum eigenen als auch dem Nutzen des Unternehmens zu fördern. Diese Mitarbeiter bedürfen einer individuell abgestimmten Führung (evtl. Coaching) und einer permanenten Förderung in Form von dynamischen Herausforderungen.

Fazit: Die Art der Führung entscheidet, ob im Betrieb das Eigenleben eher positiv oder eher negativ im Sinne eines Unternehmenserfolgs wirkt.

Pricing in der Druckindustrie und die Eigenverantwortung

In vieler Munde und gerne allgemein emotional diskutiert ist das Pricing (neues Wort in der Umgangssprache) in der Druck- und Medienindustrie. Es wird diskutiert wie man am erfolgreichsten Preisanpassungen am Markt durchsetzt. Die Aufgabenstellung mehr für die Dienstleistung zu bekommen besteht in der Tat. Allerdings ist das eine permanente Aufgabe für den Unternehmer. Ein strategischer Umgang mit der Herausforderung ist erfolgsentscheidend und damit eine existenzielle Aufgabe. Das Thema ist komplex und den Außendienst mit der Forderung “Wir brauchen höhere Preise“ rauszuschicken bringt i. d. R. keine nachhaltigen Lösungen! Wichtige Gedankengrundlage bei der Suche nach Lösungen, um ein besseres “pricing“ zu bekommen: Der Preis ist das Ergebnis von Kosten und Leistung. Diese Faktoren sind in der Verantwortung der Druckereileitung!

Die Analyse vor der Strategie

Bei solch einem Berg von Aufgabenstellung bedarf es einer klaren Analyse. Da muss alles auf den Prüfstand. Ein Controlling ist das zentrale Element, um bestimmte Sachstände in Zahlen darzustellen. Erst das Analyseergebnis zeigt die Stoßrichtungen an und damit ist auch eine Zielformulierung möglich. Bei der Umsetzung der Analyseergebnisse sind i. d. R. Veränderungen im Betrieb vorzunehmen. In diesem Teil des Prozesses ist das herausfiltern und der Umgang mit den “Grenzen“ von eventuellen Königreichen im Betrieb. Nicht nur in größeren Druckereien – nein, auch in kleineren Betrieben haben sich über Jahre hinweg unter Umständen Königreiche gebildet, die von Abteilungsleitern oder “vermeintlich guten“ Mitarbeitern verteidigt werden müssen. Bestehende “Königreiche“ sind Gift für Veränderungen. Königreiche entstehen da wo die Führung teilweise oder manchmal auch vollumfänglich als Vakuum wahrgenommen wird – wenn gefühlte Autorität und autoritäres Führen verwechselt werden.

Autorität im positiven Sinn bekommt die Führungskraft von der Belegschaft zugeordnet, die muss man sich erarbeiten (wäre ein eigenes Thema und würde den Rahmen sprengen). Wenn in diesem Kontext der Geschäftsführer sich bei der Analyse der Ist-Situation im Betrieb und auch am Markt, auf die Aussage der Bereichsleiter o. ä., verlässt, bekommt er immer nur “gefärbtes Material“ und daher sind diese Aussagen nur bedingt analysetauglich. Deswegen ist für eine Spiegelung der innerbetrieblichen Gegebenheiten das Controlling ein wichtiges Element.

Was die Außenlage bei dem Thema Pricing betrifft ist auch hier ein klarer Blick auf die Vertriebsmannschaft und deren individuellen Fähigkeiten geboten. Gibt es ein Vertriebsleiter, sollte dieser auf dem Gebiet “Führen von Vertriebsmitarbeitern“ eine gute Ausprägung haben. Verkauft die Vertriebsmannschaft Produkte oder Nutzen für den Kunden? Vor dem Hintergrund der Aufgabenstellung höhere Preise zu erzielen ist das ein zentrales Thema, welches beleuchtet werden muss. Aufgrund der bisher nicht wiederlegten Tatsache das viele Druckereien sehr vergleichbar sind, spielen die Vertriebstechniken und -methoden eine wichtige Rolle. Der Verkaufsleiter muss heutzutage der Coach der Vertriebsmitarbeiter sein. Er sollte sich in permanenter Weiterbildung befinden, um den wechselnden Anforderungen gerecht werden zu können.

Der Wert des Produktes – der Verkauf

Kürzlich im Deutsche Drucker nachzulesen, dass das Produkt nicht am Preis, sondern am Wert zu messen sei. Dieser Wert müsse dann vermittelt werden – da liegt der Begriff Worthülse in greifbarer Nähe. Man stelle sich vor, ein Vertriebsmitarbeiter der 20 Jahre das Produkt verkauft hat soll nun erklären, dass das Produkt (welches das Gleiche ist) nun einen hohen Wert für den Kunden hat und mehr kostet – das funktioniert nicht! Das gut hergestellte und preislich akzeptable Produkt ist nur eine logische Folge einer belastbaren Kundenbeziehung. Das ist der richtige Weg zu besseren Preisen (Bezugnehmend auf den Vertrieb!). Das Produkt ist, etwas provokativ ausgedrückt, der kleinste Teil im Nutzennetz des Kunden.

Der Betrieb – die Druckerei im Inneren

Selbst bestens aufgestellte und geschulte Verkaufsmitarbeiter stoßen an ihre Grenzen, wenn es im Betrieb mittelmäßig zugeht. Das Niveau von Außendienst und Technikpersonal “innen“ sollte gleich und auf gutem Level sein. Die Führungsriege und ein paar Fachkräfte sollten ermessen können, was ein erfolgreicher Vertrieb benötigt, um eine nachhaltige Kundenbeziehung aufzubauen. Der beste Verkauf ist machtlos und wird auf Zeit demotiviert, wenn Fehlerquote und Krankenstand der Kundenzufriedenheit entgegenstehen. Es ist nun mal unausweichlich, dass der Verkaufserfolg und der Zustand im Inneren der Druckerei in Korrelation stehen. Nichts ist unangenehmer wiederholt Reklamationsgespräche führen zu müssen deren Ursachen in Fehlerquote und mangelnder Planbarkeit bzw. mangelhafter Identifikation einzelner Mitarbeiter liegen.

Die Planbarkeit

Explizit in mehrstufigen Druckereien ist die Planbarkeit der Produktionsabläufe die Grundlage für ein gutes Kundenbeziehungsmanagement, einer hohen Kundenzufriedenheit und einem wertschätzenden Preisgefüge. Anzustreben ist, dass mehr als 85% der Aufträge wie geplant durch den Betrieb laufen. Eine (fast) perfekte Disposition ist das A und O eines effizienten Auftragsdurchlaufs. Die Disposition muss zwingend eine Stabsstelle sein die direkt der GL unterstellt ist. Ein gut geplanter Betrieb wirkt sich auf die intrinsische Motivation der sich positiv einbringenden Mitarbeiter aus. Im Kontext ist zu berücksichtigen, dass einige Druckereien in 3 Schichten laufen und Mitarbeiter assoziieren, dass der Laden ja voll ist und man sich nicht mehr anstrengen braucht. Gerade in 3- Schicht-Betrieben muss die Produktivität explizit auf den Prüfstand. Es müssen die Fragen gestellt werden: Was wäre, wenn wir eine um 20 % höhere Leistung an der Druckmaschine, der Falzmaschine, dem Klebebinder oder der Buchstraße hätten? Sind wir nur 3-Schichtig voll, weil die Ausstoßleistungen eher mittelmäßig sind?

Höhere Preise – Persönliche Identifikation

Kommt der Ruf nach höheren Preisen (meist zu spät) sollte der Ansatz zur Lösung des Problems nicht eindimensional mit einer mengenmäßigen Ausweitung der Verkaufsstunden einhergehen. Zuerst gilt es die Strukturen im Unternehmen sachlich zu bewerten. Dabei sind die Mitarbeiter der zentrale Punkt und damit spielen die Führungsfähigkeiten der Betriebs- und Abteilungsleiter eine wichtige Rolle. Deren Fähigkeiten sind auf dem Weg zu Optimierungen entscheidend. Die Qualitäten der Führungsriege stehen auch in Wechselwirkung mit der Führung durch die Geschäftsleitung.

Fazit: Bevor man den Ruf nach höheren Preisen aussendet, ist es Pflicht zunächst das Innere zu analysieren und gesichtete Veränderungen zügig umzusetzen. Am besten man macht Beides, holt mit effizienteren Strukturen aus dem Betrieb 15% mehr raus und setzt gleichzeitig eine Preiserhöhung um. Letzteres können Vertriebsmitarbeiter aber nur dann mit gutem Erfolg, wenn sie das Gefühl haben, dass im Inneren alles getan wurde was notwendig war.