Individual-Druckerei vs. Online-Druckerei – Strategie und Taktik

Was ist Strategie? Visualisiert ist Strategie eine mehrspurige Autobahn mit Leitplanken rechts und links. Sie ordnet den Weg der Druckerei von dem Jetzt (Status Quo), zu einem definierten Ziel. Dabei werden erarbeitete Visionen in Abstimmung mit den Gegebenheiten vor Ort, den Stärken und Schwächen der Druckerei und den jeweiligen Märkten, in Missionen umgesetzt. Es sind keine Umsetzungen mit kurzfristigem Charakter, sondern bei der individuellen Druckereistrategie geht es um die langfristige Zielerreichung. Das bedeutet, Strategieerarbeitung und deren Umsetzung ist ein Prozess!

Was ist Taktik? Dieser Begriff wird mit “Methode“ übersetzt und hat demnach einen Ausführungscharakter. Zur Taktik benötigt man weniger die Vision als Teil der Strategieentwicklung, sondern eher ein gutes Einschätzungsvermögen. Einschätzungsvermögen hinsichtlich des Leistungsvermögens und der Veränderungsbereitschaft des eigenen Unternehmens einerseits und andererseits der Frage nach dem Nutzen für die Teilnehmer des anvisierten Marktess.

Zusammengefasst: Die Strategie entscheidet über den Energieeinsatz und die Kräfteverteilung bei der Eroberung von Marktanteilen. Taktische Fähigkeiten und Cleverness braucht man dann, wenn wettbewerbliche Auseinandersetzungen unumgänglich sind. Dies ist dann angebracht, wenn eine Druckerei aufgrund individueller Stärken und Know-How eine Nische besser bedienen kann, als die Dienstleister, die diesen Markt bisher bedient haben.

„Eine Strategie hat, wer die Schlacht vermeidet!“ (orig. v. Erwin Seyfarth/Seyfarth Management)

Einer der Kernsätze von Erwin Seyfarth, der die Mewes-Strategie-Methode (1970 von Prof. h. c. Wolfgang Mewes) seit Jahrzehnten in Strategiekreisen und Seminaren unterrichtet und in vielen Unternehmen der Druckindustrie ist die Mewes-Methode umgesetzt worden. Die Kernthese, die damit einhergeht ist, bei begrenzten Mitteln einer kleineren oder mittleren Druckerei muss mit anderen Bandagen gekämpft werden als in Großbetrieben oder große Kooperationen, wie z. B. Online-Druckereien. Dort ist die Strategie ganz klar: Hocheffiziente Prozessabläufe (Geld spielt fast keine Rolle), gepaart mit dem strategischen Ansatz Menge, guter Preis und einem progressiven Marketing, sollen dem potentiellen Kunden auch die letzte Scheu vor einer Auftragserteilung nehmen. Soweit alles legitim!

Taktik alleine reicht nicht aus

Ist eine Druckerei erst mal in Schwierigkeiten oder auf dem Weg dorthin, reichen taktische Züge alleine nicht. Faktisch bedeutet das Aufsetzen einer Taktik, dass im Betrieb selbst und der Denkstruktur des verantwortlichen Unternehmers, erst mal alles weitgehend so bleibt wie es ist. Lediglich taktische Korrekturen vorzunehmen, bedeutet, dass das bestehende Leistungsportfolio besser verkauft wird. Die Anzahl der Außendienstbesuche bei Wunschkunden zu erhöhen, ist keine Strategie, sondern ein taktischer Zug. In einem Markt, der sich neu verteilt, reichen taktische Züge allerdings nicht. Das wäre nur Kosmetik! Da fehlen dann Prozesse, die mit Visionen beginnen und in Missionen übergeführt werden müssen. Eine vermeintlich schlaue Taktik ersetzt nicht die Strategieentwicklung und Zielfindungsprozesse.

Online-Druckerei vs. Individualdruckerei

Online-Druckereien Gefahr oder Chance? Wer sich von den durchaus respektablen Entwicklungen der Online-Druckereien einschüchtern lässt, erstarrt zur Handlungsunfähigkeit oder verfällt in Lethargie. Es gibt eine Anzahl von Druckereien, die auf den Zug der Online – Druckereien aufgesprungen sind, die mit Kooperationen sich diesem “System“ angepasst haben. Das kann aus strategischen Gründen situativ bedingt und kurzfristig betrachtet, durchaus für das eine oder andere Unternehmen eine Lösung gewesen sein. Die Branche als Ganzes wird so auf Dauer nicht existieren können. Andererseits werden durchstrukturierte Online-Drucker die individuellen Bedürfnisse nur unzureichend befriedigen können. Genau darin liegt die Chance für die Individualdruckerei.

Gedanklich sind die Größen der Online-Druckereien im Kontrast der üblichen Druckereigrößen (kleinere Familiendruckereien), nur schwer zu fassen. Wenn dazu kommt, dass Inhaber von Individualdruckereien einen thematischen Austausch überwiegend auf Veranstaltungen von Zulieferern oder Arbeitgeberverbänden haben, reicht das nicht aus.

Branchentalk mit Gleichgesinnten (z. B. Arbeitskreise mit Branchenkollegen, die nicht Wettbewerber sind), ist insbesondere in der aktuellen Situation der massiven Verschiebung von Marktanteilen, nicht nur eine sinnvolle Entscheidungshilfe, sondern sogar ein Muss!

Der aktuelle “Druck“, den viele Druckereiunternehmer bei dem Blick auf das Wachstum der “Online-Riesen“ spüren, könnte durchaus zu einem re-start in der Branche führen. Dieser Aufruf ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Entscheidung ein Unternehmer zu sein, immer mit Entscheidungsfähigkeit und dass ein Unternehmer etwas unternimmt, verbunden war und ist.

Individualdruckerei – wie geht das?

Individual bedeutet eben genau das nicht zu tun, was die “Großen“ tun. Individuell bleiben und sein bedeutet, dass mit einer Strategie und harter Arbeit bei der Umsetzung eine eigene Existenz gesichert wird. Der theoretische Begriff der “Nischenbesetzung“ lässt sich in seltensten Fällen umsetzen und ist für manchen auch schwer zu fassen. Leichter ist es einen Analyseprozess in Gang zu setzen und in Workshops oder Brainstormings neue Möglichkeiten der Zukunftssicherung herauszuarbeiten. Der Strategiewillen und die Strategiefindung, verbunden mit der schnelleren Beweglichkeit (Flexibilität) eines kleineren Unternehmens, sind die entscheidenden Merkmale um sich nicht in einen Kampf mit Online-Druckereien begeben zu müssen. Es gibt eine Vielzahl von Strategiekonzepten, die sich individuell adaptieren lassen.

Zum einen gibt es die Mewes-Strategie-Methode, welche die Kräftekonzentration auf zu definierende Engpässe einer Zielgruppe präferiert. Das bedeutet, es muss zunächst eine Zielgruppe gefunden werden, zu der sinnvollerweise die eigene Ausstattung und das Know-How am besten passt. Primär geht es also darum, die Bedürfnisse (einen Engpass) der Wunschzielgruppe zu erfassen und diese zu befriedigen.

Eine zweite Möglichkeit ist die Übernahme des SEP-Konzeptes (1982, Prof. Cuno Pümpin – Wegbereiter des Begriffs: Kernkompetenz) als Grundlage einer strategischen Arbeit. Hiernach kommen die Stärken einer Druckerei als primäres Angriffskonzept zum Tragen. Die Stärken der Druckerei sind nicht Größe oder Kapitalkraft, sondern können im Dienstleistungssegment, dem      Know-How der Mitarbeiter, der Innovationskraft oder auch in einer guten Resillienz, liegen.

Das wünschenswerteste Strategiekonzept ist sicher das Blau-Ozean-Konzept (2005, W. Chan Kim und Renée Mauborgne). Hier ist die Zielsetzung, Parameter zu schaffen, die zu einer stark reduzierten Wettbewerbssituation führt. Auch hier ist die Spezialisierung auf eine Zielgruppe (branchenbezogen oder produktbezogen) unumgänglich. Das Konzept beinhaltet, dass man sich weniger am Wettbewerb orientiert (und diesen nachbaut) sondern eigene Konzepte entwickelt, also unternehmerisch aktiv ist.

Denkbar ist weiterhin, aus den drei Strategiekonzepten eine Art Symbiose zu bilden. Das ergäbe wahrscheinlich mehr Spielraum bei der individuellen Strategieerarbeitung.

Fazit: Es bleibt nichts so, wie es war. Es gibt immer Lösungen und wir müssen unsere Chancen nutzen. Es ist für die Familiendruckereien höchste Zeit den re start button zu drücken und in eine Zeit zu starten, die beides, sowohl online-print als auch gleichberechtigt individual-print zulässt. Genau genommen braucht der Markt beide!

Webshop oder Online-Druckerei als Lösung zur Auslastung von Druck und Binden?

Auslastung und Kostendruck

Einige Druckereiinhaber sehen als Zukunftsmodell die Umstrukturierung ihres Unternehmens in ein Hybridmodell (klassischer Vertrieb und Web-Shop/Online-Druckerei).

Im Herzen sieht sich das Unternehmen eigentlich als die Druckerei vor Ort (Prinzip der Regionalität) oder als klassischer Offsetdrucker mit breitem Veredelungsportfolio (Prinzip Produktspezialist)

Der Kopf aber ruft nach Lösungen, die zu besserem Ertrag oder gar zu Überlebensstrategien führen sollen.

Ausgangspunkt ist in den meisten Fällen ein Kostendruck aufgrund nicht kontinuierlicher Auslastung der Kapazitäten. Etwas geblendet von den Publikationen über die “Erfolge“ von Onlinedruckereien und Web-Shops in Fachzeitschriften, scheint eine Erweiterung des eventuell bestehenden Geschäftsmodells eine sinnvolle Lösung.

Aufgrund mangelnder Erfahrungswerte werden viele Details bereits in der Vorplanung unterlassen und nach dem Einrichten eines Verkaufsportals addieren sich die Aufwände in Geld und Zeit. Je differenzierter das derzeitige Angebot der eigenen Druckerei ist, umso individueller muss die Software sein. Klassische Onlinedruckereien können ihr Modell nur erfolgreich umsetzen, weil alles der Standardisierung untergeordnet wird.

 Kernfrage nach dem Kundennutzen

Die “Flucht“ in ein solches Modell, welches i. d. R. auf die Ausweitung des Geschäftsbetriebes ausgerichtet ist, ist keine wirkliche Strategie und birgt jede Menge Gefahrenpotential. Ist es ein Schritt, dem eine negative Vertriebserfolgsanalyse zu Grunde liegt, ist ein Aufräumen im eigenen Haus voranzustellen.

Die Kernfrage, die sich ein Unternehmer beim Herangehen an das Thema Online-Shop stellen muss, ist die nach dem Kundennutzen. Welchen Nutzen hat meine Kundschaft durch die Angebotserweiterung? Wenn diese Frage nicht zufriedenstellend beantwortet werden kann, ist eine Investition in diese Art von Unternehmensentwicklung, verbranntes Kapital. Dann ist es auf jeden Fall sinnvoller, den Verkauf modern zu strukturieren und effizient zu gestalten. Das beinhaltet Analysen des Geschäftsmodells, einer Zielgruppendefinition und die Einordnung der Gegebenheiten vor Ort in der Druckerei.

 Vertrieb und Unternehmenskultur

Die Aufgabe des Vertriebs ist es, für eine gute und kontinuierliche Auslastung zu sorgen. Allerdings ist deren Erfolg davon abhängig, wie die vom Unternehmer geprägten Strukturen im Unternehmen sind.

Kann ein Unternehmen einen Kundennutzen mit einem Online-Modell (sei es Online-Druckerei oder Web-Shop) darstellen, ist dies in der Tat eine Möglichkeit des Wachstums. Anzumerken ist allerdings, dass der Markt der Online-Druckereien bereits gut ausgefüllt ist und ein Geschäftsmodell zwingend Benchmarks beinhalten muss, die nicht oder kaum kopierbar sind. Hier benötigt ein Neueinsteiger Innovationskraft in z. B. Produktentwicklung. Die Innovationskraft wiederum befindet sich immer in Wechselwirkung zur Unternehmenskultur und damit verbunden Identifikations- und Loyalitätsgrad bei den Mitarbeitern.

 Fazit

Bezüglich eines Online-Shops gilt: Eine Strategie hat der, der die Schlacht vermeidet. Sich in einen Wettbewerb mit Marktführern (anerkannte Marktbesitzer) zu begeben ist eine suboptimale Strategie.

Eine Erweiterung um einen Web-Shop ist dann sinnvoll, wenn ein gut strukturierter Verkauf effizient darstellbar ist und ein methodisch arbeitendes Vertriebsteam die Kapazitäten füllt. Ein Web-Shop kann erfolgversprechend sein, wenn er als Zusatzgeschäft geplant und aktiviert wird.

Für beide gilt: Ohne Kundennutzen erreiche ich kein geplantes Wachstum, sondern es bleibt bei Zufällen und die sind nicht nachhaltig und unterliegen keinem strategischem Vorgehen!