Stabwechsel in der Dispo

Klein- und Mittelbetriebe der Druck- und Medienindustrie sind häufig inhabergeführte Familienunternehmen, die oft über zwei oder mehr Generationen strukturell gewachsen sind. Die Gesellschaftertätigkeit wird, verbunden mit der persönlichen Wahrnehmung der Geschäftsführung, von Generation zu Generation weitergegeben. Kaum ein Familienunternehmer holt sich einen fremden Geschäftsführer, wenn eigener Nachwuchs greifbar ist. Kommt dann noch von dem oder den Nachfolgern eine Zustimmung zur Übernahme der Aufgaben eines Geschäftsführers, scheint zunächst alles in bester Ordnung zu sein.

Inhabernachfolger denken und handeln anders

Es liegt in der Natur der Sache, dass Nachfolger jünger sind und mit anderen Werten und Bewertungen arbeiten. Gerade im Falle der Einführung eines Nachfolgers oder einer Nachfolgerin ist der Blick auf die gewachsenen Strukturen, nach denen der Betrieb funktioniert unabdingbar. Neigen Inhaber in Geschäftsführerpositionen im vorgerückten Alter dazu, sich im Tagesgeschäft aufopfernd einzubringen, suchen jüngere Menschen, wenn sie am Start stehen, eher nach einem Sinn und einem Ergebnis im Verhältnis zum Aufwand. Sie sind in der Regel als Kinder des Unternehmers oder der Unternehmerin aufgewachsen und konnten über Jahre hinweg den Einsatz des Vaters oder der Mutter im Unternehmen sehen. Ist die Entscheidung, ein Nachfolger zu werden, einmal getroffen, beobachten die Kinder sehr genau und adaptieren abwägend diesen Einsatz auf sich selbst. Daraus entstehen dann zaghafte eigene Vorstellungen, was sie wohl anders und was sie so auf keinen Fall machen würden. Es gilt zu erkennen, dass dies zarte Pflänzchen der Eigenständigkeit sind und gehegt werden müssen. Auf keinen Fall sollten sie mit “alten“ Gedankengängen ausgehebelt werden. Junge Menschen arbeiten sicherlich mit mehr Risiko, sind aber flexibler und manchmal auch pragmatischer im Umgang betrieblicher Problemstellungen und die dazu passenden Lösungsansätze.

Blickwinkel von jüngeren Menschen

In vielen Klein- und Mittelbetrieben, die in Familienhand geführt werden, wird die Produktion nach dem Prinzip „mit der Hand am Arm“ gesteuert. Im Zusammenspiel mit jahrelanger Erfahrung und Kenntnissen über Wechselwirkungen im Betrieb, scheint das ausreichend zu sein, wenn auch nicht im Sinne einer planbaren Produktion. Natürlich ist die bisherige Vorgehensweise in den meisten Fällen irgendwie vertretbar, wenn auch manchmal mit fadenscheinigen Argumenten. Junge Nachfolger erkennen sehr schnell die Ineffizienz solcher Individualsysteme. Auch wenn sie diese noch nicht genau beschreiben können, ist es für junge Menschen vor dem geistigen Auge sichtbar. Meist sind es Kleinigkeiten im Tagesgeschäft, welche sehr feinfühlig wahrgenommen und abgespeichert werden. Es ist ebenso normal, dass auch Themen behandelt und bewertet werden, die ein junger Mensch ohne ausreichende betriebliche Erfahrung, noch gar nicht zu Ende denken kann. Mitunter kann durchaus die Komplexität aufgrund fehlender Erfahrung noch nicht umfassend wahrgenommen werden.

Wichtig ist das Aufbringen von ausreichend Sensibilität für die Bemerkungen und die Bedürfnisse der jungen Nachfolger. Der gesellschaftliche Wandel bringt es mit sich, dass früher als gut oder befriedigend bewertete Abläufe eben nicht mehr zeitgemäß sind. Zu guter Letzt gilt: Man kann nicht mit den gleichen Gedanken die Probleme lösen, durch die sie entstanden sind. Das bedeutet übersetzt: Was über Jahre hinweg funktioniert hat, war zu seiner Zeit durchaus klasse, kann aber heute mit neuer Software besser gelöst werden.

Dies trifft insbesondere bei der Produktionsteuerung zu. Mitunter hat sich den zurückliegenden 15 oder 20 Jahren die Anzahl der Kostenstellen dynamisch entwickelt. Die Steuerung dieser Produktion ist gleichgeblieben. Man hatte ja alles im Griff. Dass der Zeitaufwand, dieses “am Laufen zu halten” permanent mehr wurde, entzog sich der persönlichen Wahrnehmung. Diese Wahrnehmung korreliert oft auch mit dem Alter des Unternehmers. Teilweise sind Unternehmer, die das Tagesgeschäft managen, zwischen 10 und 14 Stunden im Betrieb und wenn von außen niemand das Ganze hinterfragt, denkt man gar nicht darüber nach. Junge Menschen nehmen diese Themen auf und fragen sich dann, ob sie das auch so wollen. Genau dieses Reflektieren ist aber wichtig, um voran zu kommen.

Disposition als Zeitbeschaffer

Ab einer gewissen Anzahl an Kostenstellen ist eine “strenge” Disposition unerlässlich und dient genaugenommen auch der Gesundheit. Der Unternehmer bekommt Zeit für sich! Das gilt aber nur, wenn die Stelle des Disponenten oder der Disponentin als Stabsstelle eingerichtet ist und sich in einer Hand befindet.

Was verbindet sich mit dem Begriff Stabsstelle? Nun, die Disposition hat mehrere Aufgaben zu bewältigen. Zuvorderst hat sie dafür eigenverantwortlich zu sorgen, dass alle eingetakteten Termine auch so eintreffen. Die Disposition plant alle Anschlüsse innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette und diese beginnt genaugenommen beim Verkauf. Bevor der Kundenkontakter dem Kunden eine Terminzusage gibt, muss dieser zwingend von dem Disponenten freigegeben worden sein. Das Ende der Verantwortlichkeit ist dann gegeben, wenn die Logistik abgeliefert hat. eine eigenverantwortliche Steuerung des gesamten Produktionsprozesses bis zur Ablieferung bei der Spedition oder beim Kunden, bedarf einer weitreichenden Entscheidungskompetenz. Das beinhaltet auch durchaus in Einzelfällen, dass der Unternehmer selbst sich nicht in die Entscheidung des Disponenten einmischt. Sicher ist, dass ein straff disponierter Betrieb präziser und zielgenauer funktioniert. Zu 90% sollten die Mitarbeiter am Feierabend wissen, an welchem Platz sie am nächsten Morgen zum Einsatz kommen und welcher Auftrag zu bearbeiten ist. Weiterhin schafft eine gute Disposition an jeder Kostenstelle Puffer in Form von Folgeaufträgen und natürlich das notwendige Teilprodukt bereitzustellen.

Diese Form der Steuerung der Wertschöpfungskette verschafft dem Unternehmer und den Führungskräften mehr Zeit für sich und andere Aufgaben. Die Belegschaft nimmt einen geordneten Ablauf wahr und das steigert die Kompetenzvermutung bei der Führung des Betriebes.

Persönlichkeitsstruktur

Bei der Erstellung eines Anforderungsprofils ist primär der Blick auf die Persönlichkeitsstruktur wichtig. Tiefgehende praktische Kenntnisse hinsichtlich der Produktionsabläufe oder der Technik selbst, sind fast sekundär. Es sollte ein Mensch sein, der gerne genau arbeitet, gleichzeitig aber die Fähigkeit besitzen, mit der Ungenauigkeit des Umfeldes langmütig umzugehen. Das bedeutet nicht, dass ein Disponent permanent die Schwächen anderer akzeptieren muss. Er ist dann gefordert entsprechende Wege für Veränderungen zu finden.

Ein Disponent muss zwingend unternehmerisch denken und handeln können. Es sollte niemand sein, der sich allem unterordnet, sondern in Lage ist, seine Entscheidung argumentativ zu belegen. Diese Person sollte eine gesunde Affinität zu Kennzahlen und Leistungsdaten haben, wie sie in der Kalkulation hinterlegt sind und welche Daten in eine Jahresplanung (fore-cast) maßgeblich einfließen. Ein gutes Maß an Empathie und eine souveräne Kommunikationsfähigkeit sind wesentliche Eigenschaften für solch Position. Realistisch betrachtet, gibt es solche “Perlen” nur selten. Deshalb ist eine Begleitung in Form von einem persönlichen Coaching (kann auch der Inhaber selbst machen) von großem Vorteil.

Sekundäreffekt

Das Einrichten einer Disposition als Stabsstelle hat einen weiteren Vorteil zu bieten: Mit einer straff geführten Planung bekommt man mit gleichem Equipment bis zu 15% mehr Wertschöpfung aus dem Betrieb!

Druckereien und die Chancen durch ergänzende Kooperationen

Die Druck- und Medienindustrie befindet sich weiterhin in einer Konsolidierungsphase. Das führt gerade bei kleineren Familienbetrieben oftmals zu falschen Reaktionen oder verzweifelten Aktionen, die das Unternehmen unter Umständen noch mehr belasten als vorher. Die einen suchen ihr Heil in anderen Technologien, andere wiederum greifen mit dem Preis an. Viel zu spät sind seitens der Primärzulieferer, Unterstützungen für kleinere Druckereien angeboten worden.

 

Direkte Kooperationen

Bei dieser Art der Kooperation haben die Kooperationspartner i. d. R. eine gleiche oder ähnliche Wertschöpfungskette. Man hilft sich in “Kollegenhilfe“ bei Auftragsspitzen, Maschinenausfall oder Personalengpässen. Erfahrungsgemäß hält sich im Hinterkopf der Beteiligten, in den meisten Fällen die Wettbewerbsgefahr, der man sich aussetzt. Eine in der Druckindustrie eher seltene Form ist ein gemeinsamer Auftritt innerhalb einer gleichen Zielgruppe. Dazu braucht es dann schon bei beiden Partnern positive Betriebsergebnisse, sonst entsteht ein Ungleichgewicht.

 

Ergänzende Kooperationen

Ein sinnvolles Unterfangen, um die eigene Situation u. U. zu verbessern, ist die Suche nach Kooperationspartnern. Kooperationen bedeutet nicht, dass der Kooperationspartner die eigenen Druckwerke füllt. Das wäre der völlig falsche Ansatz und nicht nachhaltig erfolgreich.

Kooperationen sollten auf “Augenhöhe“ gepflegt werden. Eine “Augenhöhe“ wird weniger durch eine annähernd gleiche Größe hergestellt, als mehr durch eine geistige Einigkeit, dass beide ihren Nutzen haben. Auf beiden Seiten muss ein Engpass beseitigt werden.

Es reicht auch nicht aus, dass allein der Geschäftsleitung diese geistige Nähe zu dem Thema hat, nein auch die Betriebs- und Abteilungsleiter müssen in einen sich bildenden Kooperationsprozess eingebunden sein.

Eine ergänzende Kooperation bedeutet, dass man das zukauft, was man selbst nicht erbringen kann. Das können Produkte, Dienstleistungen oder Know-How sein. Wir kennen alle Beispiele von Kooperationen aus anderen Industriezweigen, z. B. der Automotive u. a..

Dort nehmen wir seit mehr als zwei Jahrzehnten diese Art der ergänzenden Zusammenarbeit wahr. Würde ein Autohersteller alle Komponenten eines Fahrzeugs selbst herstellen, wären diese Unternehmen so überfrachtet, dass es kaum steuerbar wäre. Die Anforderungen an Kernkompetenzen wären sicher nicht erfüllbar. Forschung und Entwicklung würden Unsummen verschlingen und die monetäre Flexibilität einschränken.

Deshalb hat die Großindustrie, auch vor dem Hintergrund die Aktionäre befriedigen zu müssen, zu nachhaltigen Lösungen gegriffen, nämlich die ergänzenden Kooperationen. Heute hat jeder größere Hersteller von Konsumgütern seine Kooperationspartner im geografischen Umfeld.

 

Wichtig: Kooperationen müssen gelebt werden

Kooperationen, bei denen beide Partner sich in der gleichen Zielgruppe bewegen ist Vertrauen die Basis des gewinnbringenden Miteinanders. Es müssen klare und für alle Beteiligten transparente Regeln für das Miteinander gestaltet werden. Nicht mehr drucken ist das Ziel, sondern den jeweiligen Kunden zu befriedigen und dem nachhaltigen Nutzen für beide Partner.

 

Chancen durch ergänzende Kooperationen für Druckereien und Medienbetriebe

Unter Zugrundelegung, dass es eine definierte Zielgruppe gibt und der Unternehmer sich dort nach den Grundzügen gängiger Strategielehren (z.B. die EKS, Konzentration auf den Engpass nach Wolfgang Mewes) in die Tiefe gebohrt hat, ist es eine zukunftssichernde Intention, wenn man den Kunden weitgehend alle Produkte und Dienstleistungen liefern kann, die sie benötigen.

Vorausgesetzt, dass ich meine Zielgruppe und deren Bedürfnisse kenne, kann ich mich zu einem Lösungsspezialisten entwickeln und und mein Angebotsportfolio erweitern, ohne eigene Kernkompetenzen aufzubauen und Kapital für Forschung und Entwicklung auf breiter Front bereitstellen zu müssen. Nicht zu vernachlässigen ist die Vermeidung von Investitionen in Aggregate,  Maschinen, Software oder Personal wobei dann u. U. nur unzureichende Beschäftigungsgrade erreichen.

Vernetzte Kernkompetenz in einem Unternehmen lässt sich nur bedingt zusammenkaufen. Eine fundamentierte Kernkompetenz ist immer etwas Gewachsenes. Reines Fachwissen bietet nur eine tönerne Basis. Das tägliche Miteinander bietet erst eine Symbiose aus Fachwissen und Umsetzungserfahrung. Deshalb gilt es, neue Wege zu denken und dann zu begehen.

 

Die Kooperationsdatenbank

Eine Lösung für eine praktische Umsetzung der ergänzenden Kooperation für Druck- und Mediendienstleister ist die Datenbank von Erwin Seyfarth (Seyfarth Strategie-Circle). Diese Datenbank wurde inhaltlich  von Spezialisten  aus der Druck- und Medienwelt gefüllt.

Über die klassischen Produkte der Medienindustrie hinaus sind in dieser Datenbank auch periphere Dienstleistungen abrufbar. Die Fülle der Begriffe soll für Druckunternehmer auch inspirierend sein. Inspirierend zu neuen Denkansätzen um die eigenen Kunden besser bedienen zu können. Dieser Gedanke war der Auslöser für die Erstellung der Datenbak.

Die Datenbank ist über www.strategiearbeitskreis-druckindustrie.de oder über  meine Homepage www.karl-kraft.de unter “Kooperationen“ einsehbar.

 

Zusammenfassung: Ob ergänzende oder direkte Kooperationen, beide Varianten stärken  die Zukunftsfähigkeit einer Druckerei. Kooperationen sind, wenn sie nicht primär zum Füllen der Kapazitäten, sondern für strategische Ziele eingesetzt werden, eine intelligente Variante der Befriedigung von Kundenbedürfnissen und somit dem Kunden nutzenbringend.

Nicht zuletzt sind die hierzu notwendigen Investitionen überschaubar. Allerdings ist eine partnerschaftliche Zuverlässigkeit beider Partner unausweichlich.