Eine Personalsuche und die darauf folgende Personalauswahl ist ein kostspieliger und hoch sensibler Prozess. Unter dieser Prämisse rückt die Suche nach einer erfolgreichen Einstellungsmethode in den Fokus der Überlegungen.
Wer kennt das nicht, nach einigen Wochen die/der “Neue“ in der vorgesehenen Position verbracht hat, zeigen sich erste Schwächen. Unter genauerer “Beobachtung“ stellt der Chef seine freudige Entscheidung, die er am Ende des Bewerbungsgespräches getroffen hatte, welches ihm noch gut in Erinnerung ist, in Frage. Eigentlich hatte er doch eine gänzlich andere Vorstellung dazu, wie der damalige Bewerber im Tagesgeschäft sei.
Was ist passiert?
Definitiv, der Bewerber ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, genauso gut wie in dem Vorstellungsgespräch oder eben auch weniger gut, – es ist der gleiche Mensch. Er hat sich sicher Mühe gegeben seinen Auftritt, je nach persönlicher Lage, so gut wie möglich zu gestalten. Das ist sein gutes Recht. Niemand kann erwarten, dass ein Bewerber im Vorstellungsgespräch vorgibt, nur unzureichend für die Aufgaben gerüstet zu sein. Im Höchstfall wird der Kandidat bei sich zum Ergebnis kommen, sofern er Zweifel hat, dass bekomme ich schon hin.
Diese Position einzunehmen, ist legitim und menschlich verständlich. Immer häufiger trifft man in Einstellungsgesprächen auf stereotype Floskeln, wie flexibel, integrationsfähig, mache gerne Überstunden usw..
Der Unternehmer, der das Einstellungsgespräch führte, hat wahrscheinlich auch sein Bestes getan, sein Unternehmen so reizvoll wie möglich darzustellen. Der Grad des Engagements ist entsprechend größer, wenn das Unternehmen dringend eine Vakanz bei einer bestimmten Position hat. Natürlich will man nur den Besten oder die Beste. Die Bemühungen potenzieren sich, wenn die Zahl der Bewerber gering ist. Dann folgt aus meiner Erfahrung das Phänomen, dass der Unternehmer gerne mal durch die rosa Brille schaut und wichtige Parameter nicht mehr wahrnimmt. Eventuelle Zweifel werden argumentativ im eigenen Kopf ausgeräumt.
Der weit verbreitete Ablauf
Dem eigentlichen Vorstellungsgespräch ist eine Auswahl aus einer Reihe von Bewerbern vorausgegangen. Anhand der Zeugnisse und der individuellen Vita können einige vorbereitende Anhaltspunkte herausgelesen werden. Der oder die BewerberIn werden zu einem Vorstellungstermin eingeladen. Im Bewerbungsgespräch laufen dann bestimmte Rituale ab. Je nach Aussagefähigkeit der Bewerbungsunterlagen, werden die dadurch entstandenen Eindrücke vervollständigt.
Tatsächlich ist in vielen Fällen bereits bei der Vorauswahl eine Vorentscheidung getroffen worden. Das Gespräch ist dann nur noch peripher entscheidend. Im Kopf sind bereits Bilder, die den Bewerber in voller Aktion im Betrieb sehen. Sollte der Kandidat mit seiner Gesamterscheinung nicht gänzlich in das vorher eingeprägte Bild passen, sieht man darüber mitunter hinweg oder redet es sich so, dass es passt. In diesen Fällen folgt oft der Schluss, besser eine weniger gute Einstellung vorzunehmen, als gar keine. Ein Trugschluss, den man später bereut.
Daraus folgt dann eine dynamisch wachsende Unzufriedenheit, die u. U. zu ungerechter Behandlung des Aspiranten führen kann. Der Blick für das Wesentliche trübt sich ein und es werden nur noch die negativen Punkte registriert. Kleine Positiventwicklungen werden gar nicht oder weniger wahrgenommen. Es wird ständig eine Art Bilanz erstellt, die in vielen Fällen vermeintlich schlüssig, negativ ausgeht..
Das Bemerkenswerte dabei ist, mit jedem Misserfolg steigert sich die Unsicherheit bei der Entscheidungsfindung in Bewerbungsgesprächen. Es liegt in vielen Fällen in der Natur der Sache, die Ursache nie bei sich selbst zu suchen. Manchmal führt es auch dazu, dass man zu dem Ergebnis kommt, es gäbe keine gescheiten Bewerber mehr. Ich erinnere in dem Zusammenhang: Das Gehirn sieht nur das, was es sehen will!
Die Herausforderung
Bewerbungsgespräche sind immer wieder aufgrund der Subjektivität von Bewerbern, eine Herausforderung für den Unternehmer oder die verantwortliche Führungskraft. Ein Bewerbungsgespräch ist weitgehend sinnentleert, wenn man sich auf die Faktenergänzung bzgl. der Bewerbungsunterlagen (Zeugnisnoten, Berufsbiografie, etc.) beschränkt. Natürlich ist es in vielen Fällen auch die spontane Sympathie, die mit entscheidet.
Eine wirkliche Herausforderung ist der offen gestaltete Dialog mit dem Bewerber. Es beginnt damit, dass solch ein Zustand erst einmal hergestellt werden muss. Dass Nervosität abgebaut und Vertrauen hergestellt wird. Erst nachdem dies erreicht ist, kann man zur eigentlichen Prüfung kommen: Welche fachbezogenen Eigenschaften besitzt der Bewerber, welche die eigentlichen Basisanforderungen übersteigen? Welche Persönlichkeitsausprägungen stehen dem Unternehmen für eine Weiterentwicklung zu Verfügung? Wie ist es mit der Integrationsfähigkeit? Inwieweit kann der Kandidat sein Interesse untermauern (außerhalb von Gehaltsvorstellungen, etc.)? Bringt er Innovationspotential für die Abläufe mit, welches vielleicht zu neuen Ufern führt?
Es ist für viele Menschen eine Herausforderung absichtslos in einen Dialog zu treten, bzw. ihn zu gestalten. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass man dringend jemanden für eine Stelle braucht. Verständlich aber nicht zielführend!
Fazit: Die Erfahrung zeigt, die Qualität von Bewerbern ist nicht schlechter als vor 20 Jahren, sie ist anders. Dem kann man Rechnung tragen, wenn die Qualität der Bewerbungsgespräche sich den Veränderungen anpassen. Das erfordert in vielen Fällen eine Positionsveränderung im Kopf. Eine dezidierte Vorbereitung mit einem klaren Ziel des Dialogs, ist Grundvoraussetzung für eine positive Einstellungsquote.
Wichtig: Besser eine Einstellung nicht vornehmen und eine neue Runde einläuten! Perlen wachsen nicht auf Bäumen, sondern müssen mühsam gesucht werden.
Unbeleuchtet bleiben in diesem Beitrag das Thema Außenwirkung des Unternehmens und damit die Magnetwirkung auf Spitzenpersonal. Natürlich gibt es hier eine tiefgehende Wechselwirkung.